Bea Hinteregger
Schreibend
meine Welt formen
Mein Name ist Beatrix Hinteregger, Jahrgang 1975, bin in Lüsen aufgewachsen und lebe nun mit meiner Familie in St. Andrä.
Egal wie viele Online-Tools es für Notizen gibt oder ob ich sie mittlerweile einfach diktieren könnte, ich liebe es mit der Hand zu schreiben. Dabei muss das Aufzuschreibende meinen Kopf und meine Hand durchlaufen und findet mal schnell und beinahe unleserlich seinen Platz auf einem Notizzettel oder fließt ganz sanft und bedächtig über die Kalligrafie Feder auf wunderbares Papier. Und so finde ich in vielen Formen des Schreibens meine ganz persönlichen Kraftquellen.
Schreibend meine Welt formen
Krisen begegnen uns allen, oft sind es kleinere und manchmal eben größere. Auch ich kenne sie gut, die tiefschwarzen Gedanken, den dunkelgrauen Nebelschleier vor meinen Augen oder den einen hingeschleuderten Satz, der mich komplett aus meinem Konzept bringt und mir Angst einjagt. Es ist dabei nicht die Angst vor der Zukunft, sondern viel mehr die Sorge, etwas nicht richtig gemacht zu haben, irgendwo falsch abgebogen zu sein oder gar das Leben zu versäumen.
Wenn ich diese dunklen Gedanken früh genug erkenne, was am besten funktioniert, wenn sie auf einem Mal richtig heftig auf mich einbrechen, dann nehme ich mein pinkes Buch, meine schwarze Füllfeder und setze mich unter meine Lärche. Ich fange direkt an zu schreiben. Am besten ist es, die Feder setzt gar nicht mehr ab. Ich schreibe alles auf: Das, was mich stört, wie es mir dabei geht, zuweilen zerfließe ich in Selbstmitleid, schreibe dabei aber immer weiter.
Nach ein paar Zeilen lichten sich die Gedanken, sie werden überschaubar und erträglich. Ich merke dann, dass es, wie so oft im Leben, nicht nur die eine, also nicht nur meine Wahrheit gibt, sondern mehrere, unterschiedliche, aus anderer Perspektive betrachtete. Vielleicht hat es mein Gegenüber gar nicht so gemeint, wie es mit voller Wucht auf mich eingeprasselt ist, vielleicht ist das anfänglich dominante und alles überschattende Problem gar nicht so groß und unbewältigbar.
Im Schreiben konkretisiere ich meine Gedanken, mache sie greifbar, ordne sie dort ein, wo sie hingehören. Sie sind dann, was sie sind, nicht mehr und nicht weniger. Ich zerlege schreibend die Probleme in kleine, genießbare Häppchen, was ihnen jede Bedrohlichkeit nimmt, ändere dabei vielleicht auch meine Perspektive, und neue Lösungswege für diese mittlerweile kleinen Fragen zeigen sich wie von selbst. Es ist wie ein gutes Gespräch, ein Gespräch mit einer Expertin, ein Gespräch mit mir und meinem Innersten.
Ich merke dabei, wie meine Gedanken immer positiver, konstruktiver und fröhlicher werden. Am Ende lege ich mein pinkes Buch zur Seite, mache mir einen Espresso und bin stolz auf das fruchtbringende Gespräch mit mir selbst. Meist bin ich wieder so fasziniert von dieser Superkraft, die bei mir im Schreiben liegt, dass ich mir dieses Ritual ähnlich einer Kur zur täglichen Einnahme verordne.
Ich stelle mir dann für ein paar Wochen den Wecker eine halbe Stunde früher, setze mich gleich nach dem Frühstück zu meinem pinken Buch und schreibe meine Morgenseiten. Drei Seiten füllen sich dabei handschriftlich mit meinen Gedanken, meinen Ideen und meinen Sorgen. Ich lege mir vorher kein Thema zurecht oder denke nicht über den Stil des Schreibens nach. Es geht einfach darum, meinen Gedankenstrom am frühen Morgen zu Papier zu bringen und meine versteckten und verschleierten Gedanken „auf ein Gespräch einzuladen“. Ich jammere, schreie, juble, lache und genieße schreibend, was mir durch den Kopf geht. Manchmal ist es nur ein einziges banales Thema, über das ich schreibe, manches Mal reiße ich ganz viele verschiedene Dinge an. Es geht dabei um Alltägliches, wie die nächsten Aufgaben bei der Arbeit oder um die große Sinnfrage. Alles ist dabei und alles darf dabei sein. Einzig drei Seiten muss ich vollschreiben.
Nach ein paar Tagen mit diesem Ritual bin ich produktiver, kreativer und vor allem freier in meinem Denken. Ich blockiere mich tagsüber nicht mit Dingen, die ich nicht vergessen darf oder die ich nicht zu Ende gedacht habe, weil es nun dafür einen ganz konkreten Ort gibt. Mit der Zeit gehe ich immer achtsamer mit meinen Gedanken um und lenke sie in eine konstruktive Richtung. Die Gedanken, die konkret und greifbar, schwarz auf weiß in meinem Buch stehen, haben ungleich mehr Kraft als kurz angerissene Gedankenfetzen, die sich irgendwo im Hinterkopf verstecken. Je mehr klare und positive Gedanken durch meine Hand in meinem pinken Buch festgehalten werden, umso heller wird meine Welt und umso mehr lichten sich die Nebelschleier.
Durch meine Kraftquelle, meine „handschriftlichen Morgenseiten“, merke ich, wie ich mit meinen Gedanken meine Welt gestalte und forme. Schlussendlich habe ich es selbst in der Hand bzw. in der Feder, ob meine Welt dunkelgrau oder strahlend hell und klar erscheint.
Denn schon Buddha meinte: Wir sind, was wir denken. Alles was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt.
Wir sind, was wir denken.
Alles was wir sind,
entsteht aus unseren Gedanken.
Mit unseren Gedanken formen wir die Welt.
– Buddha –